19.10.2022
Die Welt verändert sich rasant – Digitalisierung und Internet treiben Entwicklungen voran, die sich vor zehn Jahren noch niemand vorstellen konnte. Industrie 4.0 ist solch ein Schlagwort, ein weiteres das damit verwandte Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Aus einer Sammlung stummer Maschinen wird eine vernetzte Fertigung, die sich selbst organisieren und optimieren kann. Nur so lassen sich die Herausforderungen der digitalen Welt meistern. Basis des IoT ist das Internet, das Menschen verbindet. Aus einem Netzwerk, das Mitarbeitende von Universitäten verbinden sollte, ist innerhalb von knapp 30 Jahren ein weltumspannendes Netzwerk geworden, eine Art Betriebssystem für unser Leben. Das Internet der Dinge verbindet nicht Menschen, sondern Maschinen, Werkzeuge und Produkte. So lassen sich die Maschinen mit Daten versorgen, aber auch Daten aus den Maschinen auslesen. Das ermöglicht eine ganze Reihe interessanter Anwendungen.
In immer mehr Bereichen wird eine ausführliche Dokumentation und eine Rückverfolgbarkeit der Produktbestandteile verlangt. Der Hersteller muss auch noch nach Jahren nachweisen können, wie die Fertigung eines bestimmten, individuellen Produkts ablief, welche Teile verbaut sind oder welche Schraube mit welchem Drehmoment angezogen wurde. Das lässt sich – wenn der Aufwand vertretbar bleiben soll – nur digital lösen. In der Automobilindustrie werden inzwischen an vielen Stellen intelligente Drehmomentschlüssel eingesetzt, die das beim Verschrauben tatsächlich aufgebrachte Moment messen und ins IoT zurückmelden. So lässt sich auch nach vielen Jahren noch nachweisen, dass beispielsweise eine Achse richtig befestigt wurde. Gleichzeitig löst ein falsches Drehmoment sofort Alarm aus und es kann nachgearbeitet werden – die Qualitätskontrolle wird sozusagen in die Fertigung eingebaut.
Ein wichtiger Nebeneffekt ist Transparenz – wenn die verschiedenen Anlagen der Fertigung laufend Statusdaten zurückmelden, kann daraus ein Echtzeit-Abbild der Fertigung erstellt werden. Die Fertigungsplanung weiß jederzeit, wo welcher Auftrag wie weit bearbeitet ist, kann die Auslastung der Fertigung erhöhen und die Durchlaufzeiten minimieren.
Dieselben Daten lassen sich auch nutzen, um die Fertigung zu optimieren – wenn eine Fräsmaschine ständig komplett belegt ist und die folgenden Prozesse weit geringere Auslastung zeigen, ist diese Maschine ein Flaschenhals. Stockt der Prozess immer wieder an bestimmten Stellen, kann dies ein Zeichen für einen behinderten Materialfluss sein. Auf Basis solcher Auswertungen lässt sich die Fertigung sehr effizient optimieren. Die Fertigungsplanenden haben belastbare Daten, um beispielsweise die Anschaffung einer zweiten Fräsmaschine oder eines Roboters, der die Handhabung beschleunigt, zu begründen. Und nach der Optimierung zeigen die Daten, wie sich die Änderung ausgewirkt hat.
Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto genauer lassen sich Vorhersagen treffen – das ist nicht nur beim Wetterbericht so, sondern auch in der Fertigung. So lässt sich die Einsatzzeit jedes Fräswerkzeugs einer Werkzeugmaschine genau erfassen. Einerseits erlaubt das eine möglichst lange Nutzungszeit von Werkzeugen, andererseits wird so der proaktive Austausch abgenutzter Teile möglich, rechtzeitig bevor der Verschleiß zu Qualitätsproblemen führt. Es ist sogar möglich, aus den mit der Zeit ansteigenden Kräften an der Spindel und den Achsen einer Fräsmaschine zu erkennen, wenn das Werkzeug stumpf wird und es punktgenau zu ersetzen. Maschinen werden mit immer mehr Sensoren versehen. Aus den ständig fließenden Daten lassen sich Unregelmäßigkeiten erkennen, beispielsweise wenn ein Lager immer wärmer wird oder Vibrationen auftreten. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz ist es möglich, solche Veränderungen zu erkennen und zu bewerten. So lässt sich feststellen, wie lange das beschädigte Lager noch funktionieren wird und der Austausch kann in eine Produktionspause gelegt werden. So lassen sich Ausfallzeiten verringern oder ganz vermeiden.
Jedes Produkt, das die Fertigung durchläuft, kommuniziert mit den Maschinen. So lassen sich Fertigungsdaten individuell der jeweiligen Seriennummer zuordnen, die Maschine „weiß“ anhand der Nummer, welche Konfiguration dieses einzelne Produkt haben soll, und liefert im Gegenzug Daten über den Ablauf der Produktion an die zentrale Datenbank zurück. Was im Automobilbau schon seit vielen Jahren Praxis ist – individuell konfigurierte Fahrzeuge passgenau und in beliebiger Reihenfolge auf einem einzigen Band zu fertigen – ist mit modernen Technologien in vielen anderen Bereichen und mit geringerem Aufwand möglich. Statt jede Abweichung vom Standard als Sonderproduktion zu verstehen, können Unternehmen so ihren Kunden passgenaue Produkte anbieten und trotzdem die Vorteile einer Serienproduktion nutzen. Transparenz, Individualisierung, Dokumentation – die Einsatzgebiete des IoT sind vielfältig und umfassend. Das Wissen um die Potenziale dieser Technologie ist wichtig, um das eigene Unternehmen auf dem Stand der Zeit zu halten und nicht abgehängt zu werden. Nur so lassen sich die Veränderungen positiv nutzen.