19.10.2022
Das wichtigste Merkmal der digitalen Fabrik ist ihre Transparenz. Maschinen und Anlagen liefern ständig und in Echtzeit Daten – einerseits zu ihrem technischen Zustand, andererseits zu ihren aktuellen Tätigkeiten. Das ermöglicht es vielen vor- und nachgelagerten Bereichen, diese Daten auszuwerten und für ihre Arbeit zu nutzen. Die Vorteile reichen von besserer Planung über Kosteneinsparungen bis hin zu besser informierten Managern.
In diesem Artikel wird das Bild einer perfekt digitalisierten Fabrik gezeichnet, das viel mehr als Zukunftsvision, denn als sofort zu erreichendes „Muss“ zu betrachten ist. Wie stark sich diese hier dargestellten Visionen schon heute in die Realität umsetzen lassen, hängt sehr vom individuellen Unternehmen ab und bedarf vermutlich zahlreicher manueller Zwischenschritte. Dennoch eignet sich die Vision der perfekt digitalisierten Fabrik als Leitbild, das es im Zuge der Digitalisierung zu erreichen gilt – denn so ist zumindest immer schon die Richtung klar, in die es gehen soll. Oft konzentriert sich die Fertigungsplanung auf die Auswahl und Belegung der Maschinen, die am Fertigungsprozess beteiligt sind. Dass an jeder Station die erforderlichen Rohteile just in time ankommen und die fertig bearbeiteten Teile ebenso zeitnah wieder weitergeleitet werden, bleibt oft der Aufmerksamkeit des innerbetrieblichen Transports überlassen. In smarten, digitalen Fabriken lässt sich dieser Prozess sehr einfach optimieren, indem die Maschinen selbst den Transport initiieren und die passenden Rohteile „Bestellen“ oder „Ausliefern“.
Dabei ist die Richtung im Prinzip unerheblich: Entweder bestellt die letzte Maschine im Prozess die von ihr benötigten Rohteile bei der im Prozess vor ihr angeordneten Maschine. Diese bestellt wiederum bei ihrem Vorgänger und so weiter, bis zur ersten Maschine, die Rohmaterial im Lager bestellt. Oder die erste Maschine liefert die von ihr bearbeiteten Teile an die nächste Maschine, die bearbeitet, was bei ihr ankommt, und wiederum ihren Ausstoß an die nächste Anlage weitergibt. In jedem Fall organisiert die liefernde Maschine den Transport, sodass die gesamte Prozesskette sich selbst verwaltet. Basis des Prozesses ist ein detaillierter digitaler Fertigungsauftrag, der die einzelnen Stationen und die zugehörigen NC-Programme, Betriebsmittel und so weiter benennt. Auf dieser Basis laufen dann Bestellungen und Logistik.
Aus den Informationen im Fertigungsauftrag lässt sich berechnen, wann welcher Auftrag auf welcher Maschine laufen muss, um rechtzeitig fertig zu sein – die Dauer jeder Bearbeitung lässt sich aus den NC-Programmen berechnen, Transportzeiten werden mit einem gewissen Puffer fest definiert. So ergibt sich aus dem Auftragsablauf und den Bearbeitungs- und Transportzeiten der genaue Zeitpunkt, wann welche Teile wo sein müssen. Und da nicht Auftrag für Auftrag just-in-time in das System eingespeist wird, sondern mit einem gewissen Vorlauf, „weiß“ jede Maschine, wann ihr die Arbeit ausgeht. Sie kann sich dann mit ihrem Leerstand selbständig beim Leitstand melden, so dass dort minutengenau sichtbar ist, wann welche Maschine noch freie Kapazitäten hat – woraufhin optimalerweise entsprechende Aufträge, die diese Lücken schließen, eingespeist werden. So ergibt sich aus der Fabrik, die sich über die digitalen Fertigungsaufträge selbst steuert, die ebenso selbständige Fertigungsplanung. Der Fertigungsplaner hat jederzeit einen kompletten, aktuellen Überblick über den aktuellen und zukünftigen Fertigungsablauf. Er muss nur dafür sorgen, dass die Lücken mit den richtigen Aufträgen gefüllt werden. So ergibt sich aus der Fabrik, die sich über die digitalen Fertigungsaufträge selbst steuert, die ebenso selbständige Fertigungsplanung. Der Fertigungsplaner hat jederzeit einen kompletten, aktuellen Überblick über den aktuellen und zukünftigen Fertigungsablauf. Er muss nur dafür sorgen, dass die Lücken mit den richtigen Aufträgen gefüllt werden.
Diese neu gewonnene Übersicht ermöglicht es auch, die Fertigung zu optimieren. Laufen immer wieder dieselben Maschinen „trocken“, muss im Schritt davor ein Flaschenhals liegen. Auch der Bedarf nach zusätzlichen Kapazitäten wird sichtbar, so dass Neuanschaffungen gezielt für diesen Bedarf dimensioniert gekauft werden können.
Moderne Bearbeitungszentren und Montagemaschinen sind mit Sensoren und Werkzeugmesssystemen ausgestattet, die sofort erkennen, wenn ein Werkzeug gebrochen ist oder beispielsweise ein Drehmoment nicht erreicht wurde. Das betreffende Teil kann sofort ausgeschleust oder nachbearbeitet werden, statt erst in der Endkontrolle aufzufallen. So spart man unnötige Fertigungsschritte und gewinnt Geschwindigkeit. Und nicht zuletzt kann die Maschine Ersatz für die Ausschussteile bei der „Liefermaschine“ bestellen, so dass am Ende trotz Ausschuss genau die Anzahl Teile ankommt, die benötigt wird.
Die Transparenz der digitalen Fabrik ermöglicht auch dem Management wesentlich genauere Einblicke in den Status der Fertigung. Kennzahlen werden automatisch erhoben und ermöglichen Vergleiche mit anderen Werken und vergangenen Fertigungsverläufen. So lässt sich auch die Wirksamkeit von Optimierungen genau analysieren und in Kennzahlen ausdrücken. Nachkalkulationen, Gewinnrechnungen – all das wird in Echtzeit möglich und erlaubt direkte und schnelle Reaktionen beispielsweise auf Veränderungen der Rohstoffpreise.
Wie viele Schritte noch zu gehen sind, um dieses Idealbild einer vollständig digitalisierten Fabrik zu erreichen, ist wohl von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich – den Idealzustand haben wohl nur die wenigsten schon erreicht. Ein solches Leitbild vor Augen zu haben, ist für eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie trotzdem äußerst fruchtbar. Denn nur mit einem klaren Ziel vor Augen kann der Weg, den das eigene Unternehmen individuell beschreiten muss, definiert und in realistisch gangbare Etappen heruntergebrochen werden.